Im Dialogforum „FLUCHT – damals und heute, weitweg und nah“, das am 6.11.2020 im Livestream übertragen wurde, kamen neun Menschen mit ihren Perspektiven und persönlichen Erfahrungen zum Thema Flucht zu Wort. Die Zuschauer*innen hörten von Fluchtgeschichten, die sowohl viele Jahrzehnte her, aber immer noch präsent sind, als auch von solchen, die erst wenige Jahre zurückliegen. Wer und was bot Unterstützung beim Ankommen in einem völlig neuen Umfeld? Wie sollte Integration aussehen? Und was läuft gerade an den europäischen Außengrenzen so katastrophal schief?
So berichteten die beiden Frauen Margot Cyriack und Argula Töllner von ihrer Flucht aus Ostpreußen und Breslau nach Ende des 2. Weltkriegs und den Entbehrungen und der Gewalt, die sie dabei erlebten. Ilyas Yanc floh als kleiner Junge in den späten Achtzigern mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland. Er erzählte von seinem Ankommensprozess in den 90ern in Deutschland und seinem gesellschaftspolitischen Engagement u.a. im Jesidischen Forum in Oldenburg bis heute. Morad Obeed ist ausgebildeter Bibliothekar und arbeitete in der Region Damaskus als Leiter der NGO »Syrischer Halbmond«. 2015 floh er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern aus Syrien nach Deutschland. Maruf Taheri wuchs in Afghanistan auf, studierte in Minsk Linguistik und half nach der Flucht in einem Flüchtlingslager in Deutschland bei Übersetzungen. Momentan schreibt er seine Masterarbeit über Integration und Migration im Studiengang European Studies and International Relations in Oldenburg. Er berichtet von seiner Bedrohung in Afghanistan durch die Taliban, weil er als gebildeter Mann Dinge in Frage stellte und andere Werte vertat. Sören Moje, Chefmaschinist der SeaWatch 3, erzählte von seinen Erfahrungen bei der zivilen Seenotrettung, während die Europäischen Union sich weigert Hilfe zu leisten und zusätzlich die Arbeit der NGO kriminalisiert. Sascha Schießl, Historiker, Assistent der Geschäftsführung des Flüchtlingsrates Niedersachsen und aktiv im bundesweiten Koordinationskreis von Seebrücke, knüpfte an Mojes Kritik an und berichtete, wie die EU gezielt dafür sorgt, dass so wenige Menschen wie möglich den Weg bis nach Europa schaffen und die Grenzen immer mehr abgeriegelt werden. Als letzte sprach Susanne Menge, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Sprecherin u.a. für Migration und Flucht sowie Ansprechpartnerin für islamische Verbände und Mitglied der Kommission für Migration und Teilhabe. Sie appellierte daran, sich bewusst zu machen, warum Menschen ihr Heimatland verlassen und die lebensgefährlichen Fluchtwege nach Europa auf sich nehmen. Als Überraschung war der junge Rapper Remo zu Gast, der in seinem Song „Krieg“ von seinen Erlebnissen in Syrien berichtet.
Die Lebensgeschichten der Menschen beeindruckten, inspirierten und machten wütend. Sie sind symbolische Aufschreie und zeigen deutlich: Niedersachsen, Deutschland und Europa muss endlich Verantwortung übernehmen! Es geht darum, Menschen willkommen zu heißen, Macht abzugeben, Rassismus zu bekämpfen und für sichere Fluchtrouten zu sorgen.
Die ganze Sendung findet sich hier.