Erfolgreiche digitale Auftaktveranstaltung von weltwechsel Niedersachsen!

Erfolgreiche digitale Auftaktveranstaltung von weltwechsel Niedersachsen!

Sind die SDGs ein hilfreiches Konzept für gesellschaftliche Transformation weltweit? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung von weltwechsel Niedersachsen. Welche Antworten es darauf gab, erfahrt ihr in diesem Beitrag. Eines ist dabei sehr deutlich geworden: Wir müssen jetzt aktiv werden. Gemeinsam. Wenn nicht jetzt, wann dann?! #weltwechselnds

Die SDGs – eine Frage der Privilegien

Nach Eingangsworten des weltwechsel Niedersachsen-Teams und einer Begrüßung durch den Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei Dr. Jörg Mielke, der in Vertretung für den weltwechsel-Schirmherrn Ministerpräsident Stephan Weil dabei war, stiegen wir direkt inhaltlich in die Frage ein: SDGs? Ein hilfreiches Konezpt für gesellschaftliche Transformation weltweit?

Die indische, indigene Aktivistin Ruby Hembrom eröffnete die Diskussion mit einem aufgezeichneten Videoimpuls. „Diese Pandemie wird zu einer beispiellosen Überprüfung und Beurteilung der globalen Nachhaltigkeitsziele. Die insgesamt 169 Ziele, die sich auf die 17 Ziele verteilen, wurden festgelegt, um Ungleichheit anzuerkennen und anzugehen. (…)  Wir brauchen neue Erzählungen: Wir müssen unser Vokabular ändern: Wie wäre es, wenn wir anstelle von „Keine Armut“ die Worte „Ende des Kapitalismus“ oder „Ende der Anhäufung von Reichtum in wenigen Händen“ verwenden? (…)  Wer sind die größten Treiber der globalen Armut? Haben wir den Mut, die globalen Finanzinstitutionen, die bilateralen Handelssysteme und die neoliberalen Weltmärkte anzuklagen, die die Armen und Marginalisierten ausbeuten, anstatt alle gleichermaßen zu begünstigen? Wenn die reichsten 1% die Hälfte des gesamten privaten Reichtums der Welt besitzen, wird die sozioökonomische Ordnung der Welt immer unverhältnismäßig unausgewogen sein.“ Hier findet ihr die englische Mitschrift ihres Vortrags sowie die deutsche Übersetzung.

So mahnte sie an verschiedenen Stellen an, die eigenen Privilegien zu hinterfragen: „Die Menschen, die die globalen Nachhaltigkeitsziele festlegen und überprüfen, sind nicht diejenigen, die sich schwertun, über die Runden zu kommen; nicht diejenigen, die mit Obdachlosigkeit, Vertreibung, oder Hunger zu kämpfen haben. Sondern es sind diejenigen, die über eine Ausbildung und die beruflichen Qualifikationen verfügen, die sie befähigen an diesen Konferenzen teilzunehmen und die Bedingungen zu diktieren.“

Dr. Friederike Habermann (Ökonomin, Historikerin, Aktivistin) knüpfte genau dort an. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Welt durchaus fähig ist radikale Maßnahmen zu treffen und sich daran zu halten. Wir müssen JETZT handeln – so radikal wie es nur möglich ist, denn für einige ist es schon zu spät.“  Das in SDG 8 festgeschriebene Ziel des wirtschaftlichen Wachstums sei ein Paradox zu den anderen Zielen. Es sei nötig, die Ursachen von Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, was im vorhandenen System nicht möglich sei. „Unser Wirtschaftssystem kommt an seine Grenzen: nicht nur ökonomisch, sondern vor allem auch ökologisch und ist geprägt von strukturellem Hass. Es darf keine Augenwischerei sein; Wir müssen grundsätzlich neue Wege finden, um ein anderes Leben zu führen. Sie SDGs können dafür eine Hilfe sein. Aber wir müssen jetzt handeln, denn wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen und Wesen, die jetzt und in Zukunft leiden und auch uns selbst gegenüber.“

Miriam Winzer (Jugendumweltnetzwerk Niedersachsen, Projekt EcoNa/YSD Germany) meint, dass die SDGs eine gute Chance für einen Systemwandel bieten, weil alle Länder zur Umsetzung aufgerufen sind. Es gäbe den Willen zur echten Veränderung, glaubt sie. „Wir sollten nicht nur einzelne Ziele angehen, sondern das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren. Ich finde es wichtig, möglichst viele Menschen mit unterschiedlichen Lebensweiten dabei einzubeziehen, um gemeinsam die Umsetzung gestalten zu können. Dabei müssen wir uns gegenseitig zuhören und Macht an jene abgeben,  die weniger haben als wir. Wir müssen aber auch Macht von denen einfordern, die mehr haben, sodass wir am Ende auf etwa einem Level sind.“

Katrin Beckedorf (Geschäftsführerin des VEN) betonte sowohl trennende als auch verbindende Elemente mit den Menschen im Globalen Süden, die in der Umsetzung der SDGs ebenso sichtbar würden wie in der Bewältigung der Corona-Pandemie. „Derzeit hat keiner von uns Lösungen parat, wie wir Ungleichheiten bekämpfen können. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten und Lösungen finden. Dazu gehört meiner Meinung nach auch das Infragestellen der wirtschaftlichen Macht. Ich betrachte die SDGs als gemeinsames Dach: wir müssen die Ziele lebendig machen.“ Eben dies würde sich auch in der (Projekt-)Arbeit des VEN widerspiegeln. „Wir wollen globale Zusammenhänge deutlich machen und neue Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Menschen müssen verstehen, was unser Handeln beispielsweise für die Menschen im Globalen Süden bedeutet.  Wenn wir diese Missstände zeigen, können Einzelne beispielsweise ihr (Konsum-)Verhalten ändern. So entstehen auch Impulse, die zu Änderungen in der Wirtschaft führen, etwa der Trend zu regionaler Bio-Ernährung oder Faire-Trade.“ Zudem würde der VEN etwa den Runden Tisch zu den Entwicklungspolitischen Leitlinien nutzen, um auch einen Diskurs mit der Politik zu führen. „Hier können wir auf das konkrete Praktische schauen, um gemeinsam Triebkaft zu finden und etwas miteinander positiv zu gestalten.“

Insbesondere in der partnerschaftlichen Arbeit – etwa bei Projekten mit Akteur*innen aus dem Globalen Süden – sei es wichtig, verbindende Elemente zu finden, um gemeinsam an die Arbeit anzuknüpfen, erzählte Miriam Winzer, die bei Youth for Environment & Sustainable Development (YSD) mit einer Gruppe aus Malawi zusammen arbeitet. „Trotz all der Ähnlichkeiten dürfen wir nicht ignorieren, dass wir nicht die gleichen Voraussetzungen haben. So genießen wir in Deutschland soziale Sicherheit und können relativ einfach Fördergelder beantragen. Vor allem aber spüren wir die Auswirkungen des Klimawandels viel weniger als unsere Partnergruppe in Malawi.“

Damit zog sich die Frage von Privilegien wie ein roter Faden durch die Diskussion. Die über 50 Teilnehmer*innen konnten diverse Impulse mitnehmen. Einige Fragen bleiben jedoch im Raum stehen. weltwechsel Niedersachsen: Gemeinsam Welt gestalten, hat sich zum Ziel gesetzt dafür Antworten zu finden und mögliche Lösungen zu diskutieren. In den kommenden Wochen wird es mehr als 50 Gelegenheiten geben, darüber miteinander ins Gespräch zu kommen.

Die Aufnahme der Auftaktveranstaltung lässt sich hier ansehen:

Text und Fotos: Juliane Jesse, Eine Welt-Fachpromotorin für Öffentlichkeitsarbeit und Internationales beim VEN